Die Weite des azurblauen Sees, umrahmt von den imposanten Bergkulissen, zieht jeden Besucher in seinen Bann. Doch sein wahres Wahrzeichen, ein Kirchturm, der einsam aus dem Wasser ragt, verleiht dem Ort eine mystische Aura und erinnert an die versunkene Ortschaft, die einst hier stand. Tauchen wir ein in die Faszination des Reschenpasses und entdecken wir seine Schönheit und Geheimnisse.
Der Reschensee, ein künstlicher See, sammelt das Wasser der Etsch und weiterer kleiner Flüsse. Mit einer Länge von sechs Kilometern, einer Breite von einem Kilometer an der weitesten Stelle und einem Stauvolumen von 120 Millionen Kubikmetern, bildet er einen wichtigen Jahresspeicher. Dieses Wasser wird durch einen 12 Kilometer langen Druckstollen zu einem Kraftwerk bei Schluderns geleitet, wo es zur Erzeugung von jährlich etwa 250 Gigawattstunden Strom verwendet wird.
Die umliegenden Siedlungen umfassen Graun, Reschen und St. Valentin auf der Haide sowie die kleineren Weiler Kaschon und Spin. Bis 1950 gab es am Reschenpass drei separate Seen: den Reschensee, den Mittersee und den Haidersee. Bei der Stauung 1950, die den alten Reschensee und den Mittersee zu einem vereinte, wurden das Dorf Graun und ein Großteil von Reschen überflutet, wobei 163 Häuser und 523 Hektar fruchtbarer Boden unter Wasser gesetzt wurden. Ein aus dem See ragender Kirchturm ist heute das einzige sichtbare Überbleibsel des versunkenen Alt-Graun.
Die Geschichte des Reschensees
Ursprünglich beheimatete der Reschenpass drei Seen, der Reschensee wurde erstmals 1770 dokumentiert. Der Name stammt von einem großen Einzelhof in Reschen, der als „der Resche“ bekannt war, ein deutscher Spitzname, der lebhaft oder munter bedeutet.
Bereits ab 1911 gab es Untersuchungen zur Nutzung der Wasserkraft in der Region. Nach der Annexion Südtirols durch Italien im Jahr 1920 wurden diese Pläne wieder aufgenommen. Die Idee war, die Reschen- und Mitterseen jeweils um fünf Meter aufzustauen. Mehrere Projektvorschläge wurden geprüft und abgelehnt, bis 1937 die faschistische Regierung das Projekt erneut vorantrieb. 1939 wurde der Projektvorschlag der SEAA, einer Tochtergesellschaft des Montecatini-Konzerns, genehmigt und die Bauarbeiten begannen. Dabei wurden auch erste Enteignungen im „nationalen Interesse zur Stärkung der nationalen Industrie“ vorgenommen.
Der Plan war, einen großen Staudamm zu bauen, der den Wasserspiegel des Reschensees um 22 Meter und des Mittersees um 27 Meter erhöhen würde. Dies hätte bedeutet, dass die Ortschaften Graun und Reschen aufgegeben werden müssten. Mit dem Einmarsch der Wehrmacht und der Errichtung der Operationszone Alpenvorland in Südtirol 1943 kamen die Arbeiten zum Stillstand.
Nach dem Krieg lagen die Bauarbeiten zunächst auf Eis, hauptsächlich aufgrund finanzieller Schwierigkeiten. Allerdings bot die Schweizer Elektrizitätsgesellschaft 30 Millionen SFR zur Finanzierung des Projekts an, was die Arbeiten wieder in Gang setzte. Die Enteignungen, die bereits unter der faschistischen Regierung stattgefunden hatten, und die niedrigen Entschädigungen lösten Proteste der Bevölkerung aus. Trotzdem konnte das Projekt nicht gestoppt werden.
Im Sommer 1950 wurden alle Gebäude in Graun und den umliegenden Weilern abgerissen und überflutet, mit Ausnahme des denkmalgeschützten Kirchturms von Graun. Der Reschensee und der Grauner See wurden zu einem Stausee mit einer Fläche von 677 Hektar vereinigt.
Die Auswirkungen der Aufstauung waren enorm: 70% der Bevölkerung wanderte ab oder aus, 163 Wohngebäude und landwirtschaftliche Einrichtungen wurden gesprengt, 514 Hektar Ackerland wurden vernichtet und die Zahl der Nutztiere sank um 70%. In den Jahren nach 1973 hat die Südtiroler Landesregierung umfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgeführt, wobei etwa 35 Hektar Kulturfläche aus dem Stausee zurückgewonnen wurden.
Der Reschensee in Bildern
Der Reschensee bietet zu jeder Jahreszeit ein beeindruckendes Schauspiel. Der ikonische, aus dem Wasser ragende Kirchturm ist ein unvergleichliches Motiv, das sich je nach Jahreszeit und Wetterbedingungen ständig verändert.
Im Winter, wenn der See zu Eis erstarrt, scheint der Kirchturm fast surreal aus der gefrorenen Landschaft aufzutauchen. Die Schönheit des Winterpanoramas, in dem die schneebedeckten Berge den See umgeben, ist unvergleichlich.
Im Frühjahr und Sommer hingegen, wenn das Wasser klar und ruhig ist, spiegelt der See den strahlend blauen Himmel und die umliegenden grünen Berge wider. Der Kirchturm, der aus der glitzernden Oberfläche auftaucht, fügt sich nahtlos in dieses malerische Bild ein.
Im Herbst bietet der See ein völlig anderes Bild. Die herbstlichen Farben, die die umliegenden Berge in warme Töne tauchen, spiegeln sich im Wasser und verleihen dem Ganzen eine besonders romantische Atmosphäre.
Dieser Glockenturm gehört zur ehemaligen Pfarrkirche St. Katharina aus dem 14. Jahrhundert und ist alles, was vom versunkenen Dorf Graun geblieben ist. Obwohl der Turm die meiste Zeit im Wasser steht, wird er bei niedrigem Wasserstand von einem Wasserbecken umgeben, das an seine Geschichte erinnert.
Trotz seiner Lage hat der Turm die Jahrzehnte im Wasser gut überstanden und wurde 2009 umfassend saniert, einschließlich der Renovierung des Daches und der Restaurierung der Zifferblätter der alten Turmuhr. Das originale Uhrwerk findet man heute im Museum Bad Egart.
Ein besonderes Ereignis ereignete sich im Jahr 2021, als der See abgelassen wurde und der Wasserstand so stark absank, dass neben dem Kirchturm auch die Ruinen des Dorfes Graun freigelegt wurden.
Ein weiteres besonderes Ereignis war die Bauarbeiten im Jahr 2023, die eine Absenkung des Wasserspiegels erforderten. Dies bot die seltene Gelegenheit, den See in einem fast leeren Zustand zu fotografieren.
Praktische Informationen
Wenn Du den Reschensee besuchst, gibt es ein paar Dinge, die Du im Hinterkopf behalten solltest. Zunächst einmal ist die Region das ganze Jahr über zugänglich und bietet zu jeder Jahreszeit ein unvergessliches Erlebnis.
Im Sommer laden die zahlreichen Wander- und Radwege rund um den See zu Erkundungstouren ein. Es gibt Routen für alle Fitnessstufen, die atemberaubende Ausblicke auf die umliegende Landschaft bieten.
In puncto Verpflegung gibt es in der Nähe des Sees eine Auswahl an Restaurants und Cafés. Für die Anreise gibt es genügend Parkmöglichkeiten für Autos, Motorräder und sogar Wohnmobile. Und vergiss nicht, Deine Kamera für die fantastischen Fotomöglichkeiten, die der See bietet, einzupacken!
Ein Parkplatz ist sogar in unmittelbarer Nähe zum versunkenen Kirchturm. Hier kann es je nach Jahreszeit allerdings recht voll sein.
Reschensee – Naturschönheit mit einer Spur von Melancholie
Der Reschensee ist zweifellos ein einzigartiger Ort, der durch seine atemberaubende Schönheit und seine tiefgreifende Geschichte besticht. Die Landschaft ist geprägt von der stillen Schönheit des Sees, der auf mysteriöse Weise mit dem aus dem Wasser ragenden Kirchturm verbunden ist, der als stummes Zeugnis der Vergangenheit dient. Mit seinen vielfältigen Möglichkeiten für Outdoor-Aktivitäten und seiner zentralen Lage ist der Reschensee ein idealer Ort für Naturliebhaber, Geschichtsinteressierte und Erholungssuchende gleichermaßen. Unabhängig von der Jahreszeit bietet der Reschensee eine eindrucksvolle Kulisse.